„Ornament und Verbrechen“ – so lautet der oft polemisch falsch zitierte („Ornament ist Verbrechen“) Titel eines berühmten Aufsatzes des Architekturkritikers und Kulturpublizisten Adolf Loos aus dem Jahr 1908.

Man muss sich unbedingt seine Zeit vergegenwärtigen und ihren Geist, um seine Gedanken besser zu verstehen und zu entschlüsseln. Hier in aller Kürze einige Eckdaten zu Loos: Der 1870 in Brünn im damaligen Österreich-Ungarn geborene Loos war bereits 1893 mit nur 50 Dollar in der Tasche in die USA gereist, wo ein Bruder seines früh verstorbenen Vaters lebte. Nach drei Jahren kehrte er zurück und ließ sich endgültig in Wien nieder. Neben seiner publizistischen Arbeit war er als Architekt und heute würde man sagen Designer tätig. Er pflegte enge Kontakte zu Künstlern wie Arnold Schönberg oder Oskar Kokoschka und gilt als einer der Wegbereiter der modernen Architektur mit ihrer Programmatik von „form follows function“. Unbedingt zu erwähnen ist seine oft übersehene kritische Distanz zum Bauhaus, das ebenfalls bis heute gerne falsch verstanden wird.

Besonders spannend sind die Überlegungen von Adolf Loos gerade deshalb weil zum einen Ornament und Objekt oft nicht differenziert gegeneinander abgegrenzt werden und zum anderen weil wir inzwischen in einen vergleichbaren Diskurs getreten sind: den über das Verschwinden des Objekts. In unserer neuen Welt „sharen“ wir und besitzen nicht mehr. Zukunftsfähig scheint nur das zu sein was sich den neuen Technologien anpassen kann. Das sind Thesen, vielleicht auch Behauptungen, deren Wahrheitsgehalt sich noch erweisen muss, auch wenn unsere Haltung heute schon von ihnen beeinflusst wird.

Gerade deshalb lohnt sich der kulturhistorische Blick auf das Ornament wie ich bei meiner Lektüre der wirklich interessanten und spannenden Katalogessays zur Ausstellung „Ornament: A Panorama of Colours and Patterns“ in Ebeltoft feststellen konnte. Einen Vorgeschmack finden Sie in Dan Mølgaards Beitrag „Ornamentation – for dummies and other ordinary mortals!“

Erst im Rückblick werden Entwicklungslinien erkennbar, wird klarer was mit wem und warum zusammenhängt. Und eben weil diese Rückschau beim Ornament so beispielhaft ist, stellt sie die Thesen von heute, die nicht hinterfragbar scheinen, in ein ganz eigenes Licht.

Wahr oder Falsch? – Adolf Loos schrieb vor über 100 Jahren:

„der moderne mensch, der sich tätowiert, ist ein verbrecher oder ein degenerierter. es gibt gefängnisse, in denen achtzig prozent der häftlinge tätowierungen aufweisen. die tätowierten, die nicht in haft sind, sind latente verbrecher oder degenerierte aristokraten. wenn ein tätowierter in freiheit stirbt, so ist er eben einige jahre, bevor er einen mord verübt hat, gestorben.“

„Die Architektur gehört nicht unter die Künste. Nur ein ganz kleiner Teil der Architektur gehört der Kunst an: das Grabmal und das Denkmal. Alles, was einem Zweck dient, ist aus dem Reiche der Kunst auszuschließen!“

Auch heute wird viel erzählt. Es lohnt sich den Blick zu schärfen und sein Denken in der Kunst der Differenzierung zu üben. Wer will schon jedes Märchen glauben.

 

 “Ornament and Crime”

is the title—often falsely quoted as the polemic “Ornament is Crime”—of a famous article written by the architectural critic and cultural publicist Adolf Loos in 1908.

We must bring to mind the spirit of the times to better understand and decode his ideas. Here a few quick facts about Loos: He was born in Brno (then called Brünn, as part of the Austro-Hungarian Empire) in 1870. His father died when he was only nine. In 1893 Loos, with just fifty dollars in his pockets, travelled to the USA where a brother of his father lived. After three years he returned to Europe and settled in Vienna. Besides working as a journalist, he was also active as an architect and, as one would say today, designer. He maintained close ties to artists such as Arnold Schönberg and Oskar Kokoschka and is considered one of the pioneers of modern architecture and its fundamental principle “form follows function.” Significant is his often overlooked critical distance to Bauhaus, which continues to be misinterpreted to the present day.

Adolf Loos’ thoughts are particularly fascinating exactly because, for one, ornament and object are often not delimited in a differentiated manner and, for another, because we have meanwhile entered a comparable discourse—that about the disappearance of the object. In our new world we “share” and no longer own things. Only that which can adapt to the new technologies seems to have a future. Those are theories, perhaps claims whose veracity still has to be proven, even though they are already influencing our attitude today.

For that very reason it is worthwhile to throw a cultural-historical eye on ornamentation, as I discovered by reading the truly interesting and stimulating catalog essay on the exhibition Ornament: A Panorama of Colours and Patterns in Ebeltoft. You’ll get a foretaste by perusing Dan Mølgaard’s article „Ornamentation – for dummies and other ordinary mortals!“ in this issue.

Only in retrospect we recognize lines of development. It becomes clearer who was connected with what and why. And precisely because this retrospective of ornamentation is so exemplary, it places today’s theories, which do not seem to be disputable, in a different light.

True or false? Adolf Loos wrote more than a hundred years ago:

“The modern man who tattoos himself is a criminal or a degenerate. There are prisons in which eighty per cent of the prisoners are tattooed. Tattooed men who are not behind bars are either latent criminals or degenerate aristocrats. If someone who is tattooed dies in freedom, then he does so a few years before he would have committed murder.”

 “Architecture does not belong to the arts. Only a very small part of architecture belongs to art: the tomb and the monument. Everything else, everything that serves a purpose, is excluded from the realm of art.”

 People say a lot of things today as well. It’s worth our while to sharpen our focus and to practice the art of differentiation in our thinking. And not believe just anything.